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Lindsey
Davis Eisenhand (The Iron Hand of Mars, 1992) Deutsch von
Christa E. Seibicke Eichborn Verlag, Frankfurt am Main, 1994
Deutsche Erstausgabe
Rezensiert
von Hubert Mergelsburger
Beim
ersten Silberschweine-(immerhin noch ein Kriminal-)Fall wurde
er vom Eichborn Verlag, obwohl Zweifel angebracht waren, als
Zeit-Vorgänger von Sam Spade und Philip Marlowe hochgelobt.
Mittlerweile banalwitzelt sich der römische Privatermittler
Marcus Didius Falco aus dem ersten nachchristlichen Jahrhundert
bei seinem vierten Auftritt mit abgegriffenen Wiederholungen
durch einen angedickten Historien-schmöker (Caesar, Tacitus
u. a. als Vor-Pflichtlektüre empfehlenswert). Einst noch originell,
handfest und wortgagig, purzelt der unter Abnutzungser-scheinungen
leidende Davis-Protagonist auf der Suche nach einem verschwundenen
Legaten und bei der Auf-deckung von Manipulationen mit Heeresgeldern
in eine Geschichtsge-schichte, die für deutsche Leser nicht
ein-mal dadurch attraktiver wird, daß "Falco in Germanien"
zwischen Bingium (Bingen) und Asciburgium (Moers-Asberg) agiert.
Ein paar Tote am Wegesrand sind nicht unbedingt ein Alibi
für einen Kriminalroman, und die sonst spritzi-gen, amourösen
Verbalgeplänkel mit dem zimtduftenden Senatorentöchterlein
platten auf die Dauer ab. Nein, Falco hat sein anachronistisches
Pulver verschos-sen - vielleicht korrekter: seine spitze Zunge
(oder Lanze) stumpf gewetzt, und Lindsey Davis ist mit Eisenhand
nicht mehr so gut. Sie kann nur wieder besser werden. Poseidons
Gold bietet sich an, wenn Lindsey Davis zum fünften Male die
lateinisch-englische Wortspielfrage stellt: Qui-dunnit?

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Sharan
Newman Das Geheimnis von Abaelard und Heloise (Death Comes
As Epiphany, 1993) Deutsch von Christiane Bergfeld Econ Taschenbuch
Verlag, Düsseldorf, 1994 Deutsche Erstausgabe
Rezensiert
von Hubert Mergelsburger
Die
geballte Ladung des Econ Verlags explo-dierte auf dem Feld
des historischen Krimi-nalromans im September 1994 mit acht
Titeln, breit gestreut innerhalb des Hand-lungsrahmens vom
Mittelalter bis zur viktorianischen Zeit. Indes, es bleibt
abzuwarten, ob Econs Spätzündun-gen (der Heyne Verlag hatte
die Lese-Zeichen der Zeit bereits vor einem Jahrzehnt erkannt)
noch Leserwirkun-gen zeigen werden, da mittlerweile die wahllose
Ange-botsvielfalt erste Übersättigungs-symptome bloßlegt.
Nach den Heldenbriefen von Hofmann von Hofmanns-waldau (1679),
nach der Epistel Eloisa to Abelard von Alexander Pope (1717),
nach manch Vergessenem, der das Liebesschicksal besungen hatte,
rankte 1993 Sharan Newman um die Real-Liaison vom entmannten
Abt Peter Abaelard (1079 - 1142) und seiner Schülerin Heloise
(1101 - 1164) ihre Fiktivhandlung. Die Novizin Cathe-rine
LeVendeur wird von Heloise, der Äbtissin des Pa-raklets, 1139
A. D. schweren Herzens aus dem Schutz der Klostermauern in
die sündige Welt entlassen, um eine diabolische Intrige zu
entlarven. Denn böse Mächte ha-ben ein Psalmbuch, Heloises
Symbol der Verzeihung und des Respekts, ketzerisch verunstaltet,
um ihre Aus-söhnung mit Adam Suger, Abt von Saint Denis (um
1080 - 1151), zu hintertreiben. Bis zum väterlichen Segen,
dem weltlichen Geliebten schlußendlich beiwohnen zu dürfen,
deckt die mediävale V-Jungfrau das möderische Tun ei-nes Teufelskults
auf, so daß sich schließlich die satani-schen Brüder, wenn
nicht gegenseitig, so doch selbst um-bringen. Tote allenthalben,
aber das Fang-das/den-Böse/n-Spiel ist nur bedingt ein Kriminalroman.
Denn Newmans Schreibe rückt das Howcatchem der unbefleckten
Wahr-heitsempfängerin, die mit steriler Inbrunst sucht und,
von ihren inneren Stimmen geleitet, auch findet, in die Nähe
eines simpel-sentimentalen "romantic historicals", das jeglichen
Thrills beraubt wurde. Hängt den Dieb, bevor er Das Tor des
Teufels zum zweiten Teil aufstößt und die Braut, die mit der
Aufklärung eines gräßlichen Mordes im Kloster schwanger geht,
am Ende noch sitzen-läßt!

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Paul
Harding Kapuzenmörder (Murder wears a Cowl, 1992) Deutsch
von Rainer Schmidt Eichborn Verlag, Frankfurt/Main, 1994
Rezensiert
von Hubert Mergelsburger
Es
war wieder einmal ein satter Griff ins volle mittel-alterliche
Mörderleben und zugleich ein blutiges Wechselspiel zwischen
1302er Real- und Fiktivwelt, wie uns Autor Harding, d. i.
P. C. Doherty, Jahrgang 1946, im Nachwort aufklärt. "Leading
character" ist wiederum Hugh Corbett, Bewah-rer des Geheimsiegels
und oberster Sekretär der Staats-kanzlei Edwards I. von England
und dem wahren Schrei-ber und Täterjäger John de Droxford
nachempfunden. Nachdem der Eichborn Verlag die ersten vier
Titel der Corbett-Chronologie (Satan in St. Mary's; Crown
in Darkness; Spy in the Chancery; The Angel of Death) ausließ
und hierzulande einstieg mit dem fünften Roman The Prince
of Darkness (Der Prinz der Finsternis; 1993 - Die Anspielung
auf den Spitznamen von Prinz Charles wegen seiner Spaziergänge
mit Camilla Parker Bowles nach Sonnenuntergang sitzt dem Schalk
Harding sehr wohl im Nacken.), schlägt sich Corbett im sechsten
Fall doppelt: Aus einem dichten Verbrechensknäuel ent-wirrt
er zwei blutrote Handlungsfäden. So verhindert er den historisch
nachweisbaren Münzdiebstahl hier durch seinen alten Widersacher
Amaury de Craon, der auf sehr unchristliche Weise für seine
Allerchristlichste Majestät König Philip IV. von Frankreich
den Schatz seiner blau-blütigen Konkurrenz von jenseits des
Kanals sich anzu-eignen beabsichtigt. Zum anderen klärt er
souverän eine schwere Massenmörderei an leichten Mädchen auf.
Daß sich dabei die fromme Frau als Hurenkillerin entpuppt
und nicht - wie immer - die Gärtnerin, spielt keine erheb-liche
Rolle. Beiden hätte man krankhafte Eifersucht mit Todesfolgen
anlasten können, weil ihre Männer vor-zugsweise eine Dirnen-"Scham
liebkosten, küßten, pflügten um der Freude willen, die sie
ihnen nicht geben konnten". Die Logik schlägt allenthalben
wieder Purzelbäume, und selbst die für die ersten Harding-Romane
um den Bruder Athelstan geschätzten Vitalschilderungen des
prallen Londoner Straßenlebens von einst wiederholen sich
(na-türlich!) und verblassen langsam. Doch wie dem auch sei:
Harding lieben, Harding hassen - eine großzügige Prise Überlesenskunst
sollte mitgebracht werden.

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Die
Heilerin von Canterbury sucht das Auge Gottes (The Eye of
God, 1994) Deutsch von Marion Balkenhol Eichborn Verlag, Frankfurt/Main,
1995
Rezensiert
von Hubert Mergelsburger
Zumindest
ein Geheimnis umgibt sie: Wer ist Celia L. Grace? Die Frauenzeitschrift
Brigitte (19/1994) mutmaßte in ihrer Besprechung des ersten
Bandes Die Heilerin von Canterbury, daß ihr "Stil auffallend
an den Paul Hardings (Anm.: das wiederum ist ein Pseudonym
P. C. Dohertys) erinnert. Sollte sich der pfif-fige Engländer
noch ein weiteres, diesmal weibliches Pseudonym zugelegt haben?"
Vieles spricht in der (Mord)Tat dafür; manches könnte dagegen
sprechen. Wie dem auch sei - immerhin hat die Unerkannte ihren
Har-ding, der bisweilen von sich selbst abzuschreiben beliebt,
gut gelesen. 1471 - Rosenkrieger Edward IV. könnte sich im
Sieges-glanz über das Haus Lancaster sonnen, würfe nicht ein
verschwundenes Amulett mit einem wertvollen Saphir, eben jenem
Titel-Auge Gottes, einen dunklen Schatten aufs königliche
Yorkisten-Gemüt. War es doch einst die majestätische Freundesgabe
an den treuen Grafen War-wick, der jetzt als toter Überläufer
auf dem Schlachtfeld lag, die adelige Brust des Kleinods beraubt.
Seine Königliche Hoheit selbst bemühen sich um die "Baderin,
Apothekerin und Ärztin" Kathryn Swinbrooke als ein-Fall-erfahrene
Aufklärerin, da "Ihr erstens ehrlich seid, zweitens der Krone
und der Kirche einen großen Dienst erwiesen habt, als Ihr
den Giftmörder dingfest machtet, und drittens Eure Fähigkeiten
nach Belieben einsetzen könnt". Ihr zur Seite, keusch und
züchtig, steht - wie auch schon im Vor-Fall - der irische
Soldat, Mar-schall des Hauses York und dessen erster Kundschafter,
Colum Murtagh, auf der Jagd nach dem blauen Talis-mann. Munter
und unkompliziert wird um eine an Spannung mäßige Mordserie
solange mit realhistorischem und na-turheilkundigem Zeitkolorit
herumgeschrieben, bis Tä-terentlarvungs- und Seitensoll von
einer Paar-Konstellation erfüllt sind, wie man sie - zwei
weibliche (?) Seelen, ein nur um ein Jahrhundert (1363/65)
ausein-anderliegender Gedanke - nahezu identisch auch bei
Candace M. Robb findet (das soldatische Rauhbein und die sanfte
Kräuterfrau mit dem klugen Verstand; bislang zwei Bände im
Bastei Verlag). Wer wem was im britischen Boom des historischen
Kri-minalromans nachempfindet, soll und kann hier nicht geklärt
werden.

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Candace
M. Robb Die Kapelle des Erzbischofs (The Lady Chapel, 1994)
Deutsch von Hans Freundl Bastei Verlag, Bergisch Gladbach,
1995 Deutsche Erstausgabe
Rezensiert
von Hubert Mergelsburger
Sie
ist nicht die einzige Spürhündin, die im mittelalterlichen
Revier Mord und Totschlag wittert: die adrette Kräuterfrau
Lucie Wilton. Doch während sich ihre Schwestern im detektivischen
Geiste wie z. B. die Benediktinerin Frevisse *) oder die Heilerin
von Canterbury **) oder die - entgegen den Verlagsangaben
- eher post-mediävale Jungfer Grundlin ***) als Protagonistinnen
präsentieren, ist sie mehr der viktorianischen Charlotte Pitt
****) verwandt, als Täterjäger-Ehefrau weniger Steigbügelhalterin
denn sattelfeste Mitreiterin auf dem kriminalen Pegasus. Für
die Apothekerswittib ist es der einäugige Owen Archer, ausgemusterter
Hauptmann der herzöglichen Bogenschützen und jetzt des Lordkanzlers
von England und Erzbischofs von York bevorzugter Ermittler,
mit dem sie nach dem ersten Serienband (Die Rose des Apothekers)
legal Tisch und Bett teilt. Der Konkurrenzkampf um königliche
Exportrechte nach Flandern tobt anno 1365, und Edward III.
treibt ein - historisch verbürgtes - hinterhältiges Spiel
mit der Gilde der Wollhändler, den unverzichtbaren Kriegskassenfinanziers
für seine Frankreich-Ambitionen. Neid und Mißgunst, Lug und
Trug, Haß und Verrat prägen die schmutzi-gen Regeln, und die
durchgeschnittenen Kehlen und abgehackten Hände werden für
Owen und Lucie mehr als ein schwerer Fall von Körperverstümmelung.
Aus mehreren, zunächst parallelen Handlungssträngen trieft
immer wieder Blut auf den roten Faden, mit dem das ideale
Fallöserpaar das Netz um die Brutalokiller knüpft. Doch es
macht letztlich keinen überraschenden Fang. Die, denen das
Böse von Beginn an ins Gesicht geschrieben worden war, erfüllen
die in sie gesetzten Erwartungen bis zu ihrem toten Ende.
Daß es bei dieser literarischen Mischung aus Wahrheit und
Dichtung für die Fiktivakteure ein leichteres Sterben ist,
liegt in der Natur von Sein und Schein, hier fein verwoben
von Candace M. Robb. Sie gibt den "kleinen Leuten, von denen
in den Geschichtsbüchern nicht die Rede ist", aber mit denen
die "Ro-manciers und Dramatiker die kleinen Einzelheiten einer
historischen Epoche nach-zeichnen", die Gelegenheit, den "Mächtigen
menschliche Züge zu verleihen". "Jene Owen Archers und Lucie
Wiltons werden (nach ihren ersten Erfolgen bei den Le-sern/innen
weiterhin) still und unauffällig (aber buchfüllend) ihrer
(Aufklä-rungs)Arbeit nachgehen" und als "glaubwürdige Charaktere
Geschichte zum Leben erwecken"; so auch in den Folgetiteln
Das Geheimnis der Nonne und Der Lord-kanzler des Königs

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Kate
Sedley Der zerrissene Faden (The Hanged Man, 1993) Deutsch
von Irmela Erckenbrecht Rowohlt Taschenbuchverlag, Reinbek,
1995 Deutsche Erstausgabe
Rezensiert
von Hubert Mergelsburger
Ach ja, die kriminalhistorischen Literatursenioren -wenn sie
sich - Das waren noch Zeiten! - ihrer frühen Jahre erinnern
und verklärte Vergangenheit erzählen. Sir Roger Shallot z.
B. *) oder - wie hier - Roger Chapman ("Heute, im Jahr des
Herrn 1522, ein alter Mann."), der noch als Novize dem Drang
des Weltlichen folgte, die Benediktinerkutte an den Nagel
hängte und - die Klostermauern von Glastonbury im Rücken -
drei Kreuze machte, um fortan als Hausierer Brot und Bett
zu verdienen. Übrigens: im Original "Roger the chapman" (also
nicht als Nachname, sondern als Berufsbezeichnung). Indes,
er schritt, weniger nützlichen Krimskrams und allerlei Tand
verhökernd, fürbaß durchs 15. Jahrhundert, als daß er vielmehr
sein himmlisches Talent zur Verbre-chensaufklärung feilbot:
"Gott wollte mich als Werkzeug Seiner Vergeltung einsetzen.
Er hat mir einen klaren Verstand, eine feine Empfindsamkeit
für die Launen und Stimmungen und einen scharfen Blick für
scheinbar unbedeutende Nebensächlichkei-ten geschenkt, und
diese Gaben hatten schon zweimal (Anm.: Die letzte Rast und
Ge-fährliche Botschaft; zwei weitere Taschenbuch-Gele-genheiten
sollten nach den Hardcover-Vorgaben des Wunderlich Verlags
1997 bzw. 1998 folgen: Fromme Un-schuld und Das alte Lied)
dazu geführt, daß ich meine eigenen Angelegenheiten ste-hen
und liegen ließ, um mich um die anderer Leute zu kümmern."
Naßkalte 1474er Wintertage bescheren dem ambulanten Gewerbler
nicht nur eine "dicke Erkältung", sondern zugleich auch willige
Ersthelferinnen. Und während ihm die Mutter mit einer warmen
Suppe wohltut, setzt das heiratsfreudige Töchterchen mit ihrer
ganz persönlichen Körperwärme den richtigen Hebel zur baldigen
Genesung des Lustschutzlosen in Bewegung. Der nicht nur zu
Dank verpflichtete Rekonvaleszent bringt dafür Licht in das
Dunkel eines rätselhaften Familienmakels, der seit Monaten
auf den beiden Nächstenliebenden lastet. Ihr (Groß)Vater,
Hüter beträchtlicher Mieteinnahmen seines Brötchengebers,
war, eine Blutlache zurücklassend, zeitweilig ebenso verschwunden
wie die Leder-beutel mit den Münzen. Der raub-, aber nicht
mordgeständige Dieb wird nur zu schnell (unschuldig?) gehenkt.
Gilt es, geschickte Winkelzüge eines/r perfiden Ränkeschmieds/in
nachzu-messen? Ein Kriminalroman, scheinbar ohne Mord, der
seine nur mäßige Spannung allein aus der Frage bezieht, was
denn nun tatsächlich geschehen ist. Dabei hält Kate Sedley,
Jahrgang 1926, die Lektürelust in annehmbaren Grenzen, wenn
sie die dritte Retro-spektive des detektivischen Routen-Gängers,
dem nur allzu oft die göttliche Fügung seines Werkzeugmachers
oder eben nur der Zufall eifrig unter die weltlichen Arme
greift, in solider Soft-Diktion wiedergibt.

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Ann
Dukthas Maria Stuarts dunkles Geheimnis (A Time for the Death
of a King, 1994) Deutsch von Marion von Balkenhol Eichborn
Verlag, Frankfurt am Main, 1996 Deutsche Erstausgabe
Rezensiert
von Hubert Mergelsburger
Murder
and Mystery Tours am Fuße von Edinburgh Castle sind an der
guten Nachtordnung: "WARNING - Due to Ghostly Encounters you
come on these tours at your Own Risk!" Jeweils zwei mit allen
schmutzigen Leith-Wassern gewaschene Schauspieler lassen in
den dunklen Gassen der Altstadt ab 21 Uhr für gänsehautgierige
Touristen Grusel und Grauen aus blutiger Vergangenheit lebendig
werden, daß es nur so ein wahres Stöhnen, Kreischen, hysterisches
Lachen ist. Ann Dukthas führt die Leser auf ihre literarische
Weise hinters Licht, dessen Schein einst die Greueltat am
9. Februar 1567 für die Nachwelt nicht ausreichend genug be-leuchtete:
Eine gewaltige Explosion erschütterte gegen 2 Uhr Edinburgh
und legte die Alte Probstei von Kirk o'Fields in Schutt und
Asche. Mehrere Diener, die neben dem königlichen Nachtgemach
schliefen, wurden buchstäblich in Stücke gerissen und konnten
nur noch an ihrer Kleidung erkannt werden. Der im Bett vermutete
König selbst, dem der Anschlag galt (?), lag zusammen mit
seinem Leibpagen etwa fünfzehn Meter von der rauchenden Trümmerstätte
jenseits der Stadtmauer im Obstgarten: nackt (im Pelzmantel,
im Nachtgewand - auch hier gehen die Ansichten auseinander)
und tot (das wenigstens ist unumstritten); ohne irgendein
sichtbares Zeichen auf welche Mord-art auch immer (Erwürgen,
Gift oder gar tödliche Verletzungsspuren durch die Explo-sion).
Historiker argwöhnen, mutmaßen, spekulieren, meinungsstreiten
bis heute, wenn es um die Ermordung von Henry, Lord Darnley,
durch seine achtzehn Monate früher mit Maria Stuart geschlossene
Ehe König der Schotten, geht. Und auch unsere kriminal-fallsüchtige
Imperfektionistin, die, während andere noch suchen, in dem
"Raben", ei-nem Geheimagenten des Queen-Elisabeth-Vertrauten
Sir Francis Walsingham, den verantwortlichen Mittäter findet,
hält sich in ihrer romanhaften Auslegung alle Wahr-heitstüren
offen. Ordnet sie doch die Akte Darnley "den großen Rätseln
(zu), die eben-so viele Lösungen haben, wie sie Fragen aufwerfen".
Daß sie sich darüber hinaus ihr Augenzeugenmanuskript (eine
Spiel- art der berühmten angelsächsischen Fiktiv-Biographien)
von einem aus der Zunft der Ewig-Lebenden aus der Vergangenheit
in die Gegenwart schmuggeln ließ, entrückt den handfesten
Geschichtsthriller ohne hochgradige Spannungssequenzen in
das Reich der Dinge im Himmel und auf Erden, deren es mehr
gibt, als unsere Schulweisheit sich träumt. Wie hatte schon
Holyrood-Palace-Besucher Fontane - allerdings bezogen auf
die Er-mordung des Maria-Intimus David Riccio - drei Jahrhunderte
später zukunftahnend erkannt: " Das Grauen ist vorbei, wenn
man uns das Blut tischbreit auf die Diele malt."

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Kate
Ross Der zerrissene Vorhang (A Broken Vessel, 1994) Deutsch
von Mechthild Sandberg-Ciletti Goldmann Verlag, München, 1995
Deutsche Erstausgabe
Rezensiert
von Hubert Mergelsburger
D er Goldmann Verlag tut sich ein wenig schwer mit den Julian-Kestrel-Fällen
der Kate Ross. So preisen seine Taschenbuchprogramme 5/95
- 4/96, in denen u.a. der Erstling Bis ins Mark als Neuerscheinung
für Januar 1996 ausgewiesen wird (tatsächlich seit 1994 in
Leserhänden) oder in einzelnen Literaturartsparten unterschiedliche
Titelkomplettierungen aufgeführt sind, die Ross-Texte fälschlicherweise
als "viktorianische Kriminalromane" an. Dagegen haben sich
die Umschlaggestalter nachlesbar andere Gedanken gemacht:
Mit "Ein Kriminalroman aus dem alten England" (Band 1) bzw.
schlicht und einfach und noch zeitneutraler "Roman" (Band
2) legen sie sich - zu Recht - nicht fest. Und das ist gut
so; ist doch die "viktorianische Aera" inselmäßig fraglos
"the time when Queen Victoria ruled (1837 - 1901)". Die Zeitangaben
der Ross-Bewältigung englischer Krimi-Vergangenheit sind einwand-frei
vorviktorianisch: Frühjahr 1824 und Herbst 1824, wobei die
Waschzettelschreiber mit "1820" sogar noch das zweite Kestrel-Abenteuer
vor das erste legen. Julian Kestrel, "erster der Dandys" der
Londoner High Society, Salonlöwe, Mode-trendsetter, Sportas,
der "Schönheit gar nicht nötig hatte, um Aufmerksamkeit zu
erre-gen", "niemals sehr flüssig" und ab und an sogar "tief
in Schulden steckend", ist so der rechte Schablonenprotagonist,
wie er vor Jahrzehnten (und früher) in der Genrelitera-tur
sein meist maskiertes, Recht schaffendes (Un)Wesen trieb.
Nicht nur daß seine Freizeitbeschäftigung die Mörderjagd ist
(Er hatte schließlich nach seinem ersten Fall "kaum je etwas
Aufregenderes erlebt".) und "in ihm ein verzehrendes Interesse
am Verbrechen gewachsen war, seinen Motiven und Methoden,
der Suche nach Spuren und Indizien, die sie ans Licht brachten";
nein, die gute Seele von Mitt-Twen ist auch ein Sozialstraßenfeger.
Hatte er doch den Jung-Ganoven Dipper auf frischer Taschen-diebtat
ertappt und kurzerhand zu seinem ergebenen Diener gemacht,
und auch die kokette Liebedienerin Sally, zufällig Dippers
Schwester, findet schnell den Weg in sein Haus, sein Herz,
sein Bett. Doch mit dem Mädchen kommt nicht nur Freude auf.
Drei von ihr gestohlene Freier-Taschentücher und ein dazwischen
verborgener Hilferufbrief einer kurzzeitig geheim-nisumwitterten,
jungen Frau stürzen den kriminalen Samariter aus Leidenschaft
in ei-nen rätselhaften Fall von Teetassen, Teekistchen, Teekannen.
In horizontalgewerbli-cher Aufreißersprache stehen das eine,
das andere und das dritte für "Frauen", "kleine Mädchen" und
"Knaben", phantasieanregend mit Lockattributen wie "Porzellan",
"ja-panische Lackarbeit", "vergoldet", "bemalt", "verziert"
geschmückt. In einer extensi-ven Aufklärungsrush-hour läßt
der Hobby-Detektiv die Mädchenhändler und ihren illegalen
Stoßverkehr sich in einer finalen Sackgasse totlaufen. Aus
dem Sündenpfuhl erwächst eine wahre Geständnisflut aller,
die je eine Leiche im Keller hatten, und die arg konstruierten,
leidenschaftslosen Tätermonologe werden gottlob von der letzten
Buchseite zum Schweigen gebracht. Alles löst sich in märchen-haftes
Wohlgefallen auf, nur der vor etwas spärlichem Zeitkolorit
agierende Julian Kestrel muß seiner pretty woman entsagen.
Sei's drum - seine Hoffnungen kann er getrost in den nächsten
Band dieser lockeren Leicht-Lektüre hinüberretten.

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